Am Mittwoch war "Toleranztag" an der Haupt- und Realschule in Harpstedt (Niedersachsen). Ein Tag der Toleranz? Nur einer? Und was geschieht im Rest des Jahres? Schüler schrieben in einem Workshop der MUT-Redaktion über ihre Vision, wie Toleranz dauerhaft funktionieren kann - und schilderten ihre eigenen Erfahrungen, die sie mit Fremdenfeindlichkeit haben.
Dass auch ihre Schule auch von Rechtsaußen heimgesucht wird, wurde bei näherem Hinsehen deutlich: Schon seit geraumer Zeit ein Hakenkreuz am Fahrradparkplatz, das niemand entfernt hat und Aufkleber von Neonaziorganisationen in mancher Ecke. Ein Workshop, den Fanbetreuer von Werder Bremen leiteten, entfernte sie sogleich. In anderen Abeitsgruppen wurde viel über Mobbing geredet und auch, wie wichtig es ist, auch dagegen mit Zivilcourage dagegen anzugehen, damit sich kein Schüler diskriminiert fühlen muss. Vor allem Zuwandererkinder fühlen sich von ihren Mitschülern nur zögerlich integriert. Künftig soll sich das aber ändern. Demonstrativ setzten die Schüler schon zum Auftakt ein Zeichen und zeigten alle eine Rote Karte gegen Rassismus, die Werder Bremen zuvor verteilen ließ.
Im MUT-Workshop wurde sich viel über Vorurteile Gedanken gemacht - auch über eigene. Gegrübelt wurde vor allem über drei Fragen - alle Antworten sind hier ungekürzt online gestellt:
1. Wo hast Du selber schon erlebt, dass Menschen bedroht wurden oder über sie gelästert, geschimpft oder Witze gerissen wurdengerissen wurden, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Herkunft oder Religion haben?
Wir erleben oft wie andere Menschen, Ausländer oder hautfarbige Menschen beschimpft oder bedroht werden...vor allem in großen Städten sieht man oft solche Vorfälle. (Jessica, 15 Jahre und Erik, 16 Jahre)
Ich höre es manchmal in der Schule, wenn andere über Türken oder andere Ausländer schimpfen und sagen "Die sollen zurück in ihr Land gehen die machen hier nur alles kaputt!". Ich denke, dass es so ist das wenn Türken, Deutsche oder andere Ausländer etwas kaputt machen oder anderen schaden das sie alle egal welche Rasse dafür bestraft werden sollten. (Sarah, 15)
Also persönlich, passiert mir das oft , weil ich selber einer Farbiger bin und werd immer so komisch angekuckt (Komivi, 16)
Also in der Schule bei Religion haben schon Filme gesehen wo Nazis alte Menschen vermöbeln. Und es gab auch mal so eine Geschichte mit einem Hotel. Ich weiß nicht ob sie sich daran erinnern können. Aber da war 1.4 Mille verlangt und es haben sich alle Bewohner aus Delmenhorst angestrengt um das zu verhindern mit erfolg. Dazu hört ich öfters mal Radio und da kommt auch so was. (Mario, 15)
Ich habe selber noch nicht erlebt und möchte es auch nie erleben, dass jemand
wegen seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion beschimpft oder, dass über
jemanden gelästert oder über ihn Witze gemacht wurden. Ich finde aber, dass dies auch niemals passieren dürfte und man dagegen etwas tun sollte. (Timo, 16)
Joa bin ja farbig habe es selbst erlebt wie manchen mich beschimpft haben nur weil ich anders bin sie nennen mich als das N-Wort (Afi-Dede, 14)
Ich selber habe noch nicht so etwas mitbekommen! Natürlich habe ich schon solche ,,Witze'' darüber gehört, aber in den Augenblicken ist mir das nicht so bewusst geworden, dass es mit diesem Thema zusammenhängen könnte! Heute würde ich da bestimmt anders drüber denken!!! (Rona, 16)
In der Schule ist es so, dass man nicht gerade über die Hautfarbe, Herkunft oder Religion lästert .Es wird vielmehr eine Verachtung gegenüber Jugendlicher und Kindern entgegnet, die aus ärmlichen Verhältnissen kommen oder sich nicht immer um ihr Äußeres kümmern! (Jill-Joana,17)
Wir persönlich haben so etwa noch nicht erlebt; da wir keinen Kontakt zu Menschen haben, die an derRechtsextremenszene leben oder beteiligt sind!(Isabel & Madita, beide16)
Ich habe in der Schule davon mitbekommen, dass Schüler wegen ihrer Kleidung beschimpft wurden. (Merle, 15)
Ich habe erlebt wie Mitschüler wegen ihrer Kleidung oder Religion gemobbt werden (Roxana, 15)
In unsere Klasse haben wir auch selbst Ausländer dort haben wir schon oft erlebt dass über die gelästert wurde und sie verspottet wurden.(Marina,14 und Vanessa,15)
2. Wo hast Du selber schon gemerkt, eigene Vorurteile gegenüber anderen Menschen zu haben, die Du vielleicht gar nicht selber kennst?
Wenn zum Beispiel ein Verbrechen vor lag und zwei mögliche Täter in frage kommen würden dann würde man eher einen Ausländer verdächtigen. (Jessica und Eric)
Ich merke, dass ich Vorurteile gegenüber Nazis habe, obwohl ich sie nicht kenne und vielleicht auch gar nicht kennen will. Ich finde ihre Einstellung nicht okay und möchte mit Menschen die auf Gewalt aus sind nichts zu tun haben. (Sarah)
In der Schule oda soo. (Komivi))
Wirklich bewusst gemerkt habe ich es noch nicht, dass ich Vorurteile gegenüber anderen Personen fälle die ich nicht kenne. Ich habe es höchstens schon einmal im Nachhinein gemerkt, wenn jemand in mir vorbei gelaufen ist, der anders aussah und ich dann z.B. gedacht habe: "Mit dem Aussehen was er hat, hat er bestimmt viel Geld und kann sich alles leisten." (Timo)
Joa ne ich denke immer über die Weißen, wie die uns behandeln als ob wir Tiere wären. Manche Personen werden sagen, sie haben gar nichts gegen andere Rassen aber tief in ihnen steckt noch der Nazzi. Ich kenne auch ein Mädchen die meint die ist nicht Nazzi aber sie beschimpft mich immer (Afi-Dede, 16)
Auch diese Frage muss ich verneinen, da ich auch noch keine Vorurteile gegenüber anderen gestellt bzw. gesagt habe!!! Sicher, ich kenne nicht alle Vorurteile gegenüber der ,,Rechten Szene'', dennoch würde ich auch keine benutzen, auch nicht wenn ich welche kennen würde!!! (Rona)
Also was mir Hauptsächlich einfällt ist, dass wenn man schwarz in Deutschland ist meisten anderes behandelt bzw. angesehne werden nur weil die eine andere Hautfarbe haben (Mario)
In den Medien werden oft Voreilige und falsche Schlüsse gegenüber Nazis gebracht. Wenn z.B. ein Wohnhaus, was von Ausländern bewohnt ist, abgebrannt wird, sprechen die Leute in den Nachrichten gleich von Rechtsextremen Attentätern, die dafür verantwortlich gemacht werden. Da stellt sich mir die Frage, warum man nicht versucht den wahren Schuldigen zu finden, sondern gleich die leichtere Variante nimmt, indem man sich den Schuldigen (Nazi) einfach aussucht. So kann es nicht nur passieren, das Menschen Hass gegen Nazis bekommen, sondern auch auf die, die Lügen über solche Gruppen berichten und man sich dann auf die Seite der Nazis stellt. Der Fall, wo die beiden türkischen Jungen einen alten Mann in der U-Bahn verprügelten, empfand ich mit einer unaussprechlichen Wut gegen Türken. Es kann doch nicht sein, dass Deutsche in der Türkei über Monate eingesperrt werden, wenn sie nur einen Stein klauen. Und Türken hier in Deutschland fast einen Menschen umbringen und dafür nicht mal eine Anzeige bekommen. Mir ist zwar bewusst, dass die Kinder unter 14 Jahre alt waren, und somit in Deutschland noch nicht strafmündig sind, doch ist das gerecht? (Jill-Joana)
Unsere Eltern haben uns so erzogen, dass alle Menschen gleich sind und nicht benachteiligt werden sollten, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Herkunft oder einer anderen Religion angehören! Deshalb haben wir keine Vorurteile gegenüber anderen Menschen (Ausländern)! (Isabel & Madita)
Wir haben keine Vorurteile! (Dennis und Nils)
Auch in der Schule oder aber auch in der Stadt. Zum Beispiel wird viel über "die Russen" geredet oder geschimpft. Oder über "die Türken". (Merle)
Dass Polen alle Sachen klauen. Ich weiß nicht ob das stimmt aber es wird gesagt. (Roxana)
Bei uns gibt es viele Leute die Vorurteile gegenüber anderen Menschen obwohl sie die gar nicht richtig kennen. (Marina und Vanessa)
3. Was denkst Du, könnte ein gutes Rezept sein, um an Deiner Schule oder in Deinem Alltag gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus anzugehen oder zu verhindern, dass es überhaupt dazu kommt?
Man sollte mehrere Veranstaltungen oder Projekte gegen Rechts veranstalten wo jeder darüber aufgeklärt wir. (Jessica und Eric)
Ich glaube, dass viele Menschen gar nicht wirklich wissen worauf sie sich einlassen, wenn sie in solchen "rechten Kreisen" verkehren. Sie sollten aufgeklärt werden was für Hintergründe die "rechte Szene" hat. (Sarah)
Man sollte protestieren oda Flug Blättern verteilen(Komivi)
Ich denke um zu verhindern, dass es an Schulen zu Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus kommt sollte man im Unterricht viel über das Thema reden und sich klar machen, dass alle Menschen gleich sind und es kein Unterschied gibt. Egal ob jemand eine andere Hautfarbe, einen anderen Glauben, eine andere Nationalität oder eine andere Meinung hat. Außerdem sollte man den Schülern zeigen wie es in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg aussah und was die Nationalsozialisten angerichtet haben. (Timo)
Ich würde gerne mit solchen Leuten reden, die sollten selbst in den Haut von ein anderer Rasse stecken und sie sollten auch alles erleben und alles passieren was uns Farbigen oder andere Rassen passieren und darüber nachdenken wie wir uns wirklich fühlen (Afi-Dede)
1. Mehr mit den Schülern darüber sprechen.
2. mehr solcher Aktionen wie Tolleranztage oder andere Tage. Das war's.(Mario)
Man könnte in der Schule ein Projekt oder ähnliches gründen, damit man gegen ,,Rechts'' etwas tun kann! Ich wäre davon überzeugt, dass so etwas funktionieren könnte und später auch viele dazu beitragen würden!!! (Rona)
Man könnte in der Schule Konzerte veranstalten die gegen Rechte Gewalt sind. Und Gruppen bilden die auf der Straße und zu Hause gegen Rechtsextremismus protestieren. Man sollte als Elternteil es niemals zulassen, dass sein eigenes Kind auf der falschen Seite des Lebens gerät. Auch Lehrer können dabei helfen (Jill-Joana).
Wir glauben, es wäre sinnvoll, wenn öfters im Jahr solch ein "Toleranztag" an unserer Schule stattfinden würde; damit wir, also die Schüler, besser und auch mehr über das Themenfeld Rassismus uns Rechtsextremismus erfahren. Um damit offener und auch besser umgehen zu können. (Isabel & Madita)
Wir denken, dass man Vorurteile aufklären sollte, gegen rechte Gewalt Werbung machen sollte. (Dennis und Nils)
Ich denke man kann das nicht verhindern,da man die Leute nicht ändern kann. (Merle)
Vielleicht den Leuten zu erklären was sie da für einen Mist bauen. (Roxana)
Man sollte öfters solche Tage gegen rechte Gewalt machen damit die Schüler/innen besser aufgeklärt werden. (Marina und Vanessa)
Soweit die Antworten des Teams, das aus Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen bestand. Nicht wenige von ihnen wollen sich weiter mit dem Thema beschäftigen und ihre Schule unterstützen, zu einer "
Schule ohne Rassismus" zu werden. Dass so etwa den örtlichen Neonazis nicht in den Kram passt, versuchten diese am Morgen vor dem Workshop deutlich zu machen. Ein Mitglied oder Mitglieder einer Gruppe "Nationaler Sozialisten" (=Nationalsozialisten) versuchten den Toleranztag zu verhindern.
Sie klebten in der Nacht Schlösser der Schule zu, hingen Vorhängeschlösser vor Türen und legten Flugblätter aus mit der Überschrift "Schulfrei - wegen Intoleranz geschlossen!". Lehrer und Polizei sammelten die Briefe am Morgen auf.
Und der oder die Täter hatten sich gewaltig getäuscht. Mehr als 170 Schüler nahmen neugierig und kreativ an den 12 Workshops teil - und erhielten sogar eine Belohnung. Die Geschäftsführung von Werder Bremen schenkte der Schule 100 Freikarten für das nächste Werder-Spiel gegen Dortmund.
Konsens am Ende des Toleranztags war es, dass es solche Tage sehr viel öfter geben soll. Eigentlich sogar 365 x im Jahr
Nicht vergessen: MUT fördert Schülerzeitungen mit Mut!
Mit solchen Aktionen will die MUT-Redaktion Schüler anregen, sich intensiver mit den Themenfeldern Rassismus und Rechtsextremismus auseinanderzusetzen. Überregional betätigt sich die MUT-Redaktion der Amadeu Antonio Stiftung daher in diesem Jahr auch als Sonderpreisstifter für den bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb der Länder. Organisiert wird der Preis jährlich von der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Verband der Jugendpresse Deutschland e.V.. Im Rahmen ihrer Aktion „MEDIEN MIT MUT“ vergeben die Amadeu Antonio Stiftung und ihre Internet-Redaktion www.mut-gegen-rechte-gewalt.de zwei Sonderpreise. Damit werden Schülerzeitungen geehrt, die sich durch engagiertes und fundiertes Eintreten gegen jede Form der Gewalt gegenüber Minderheiten oder Andersdenkenden auszeichnen.
Prämiert wird der beeindruckendste Einzelbeitrag und die beste Gesamtleistung einer Schülerzeitung, die jeweils anderen Schülerzeitungen, aber auch professionellen Medien ein Vorbild sein können. Die ausgewählte Redaktion und die/der jeweilige ausgezeichnete Autor/in erhalten neben einem Preisgeld Praktikumsplätze in der Berliner MUT-Redaktion. Bewerben können sich noch bis zum 31. März Autoren und Redaktionen noch bis zum 31. März. Die Preisvergabe ist im Juni 2008 im Bundesrat. Die Texte und Zeitungen bitte schicken an: MUT c/o Amadeu Antonio Stiftung Linienstraße 139 D-10115 Berlin. Stichwort: Medien mit Mut.
Ein weiteres Schülerprojekt:
Schülerkunst gegen Rechtsextremismus aus Neuruppin
Weitere Schulrezepte der bpb
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