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Was war Fortschritt 2007 in der Arbeit gegen Rechtsextremismus, was Rückschritt? Und was vor allen Dingen ist 2008 zu tun? Diese Fragen richtet die MUT-Redaktion in loser Folge an mehrere Initiativen und Einzelakteure. Heute: Das NDK Wurzen, das mehrere Mängel beim Start der neuen Bundesprogramme kritisiert, aber auch lobt, dass es eine "Trendumkehr gibt - weg von der Wahrnehmung des Rechtsextremismus als Ostproblem".
1.) Was war für Sie ein Fortschritt in der Arbeit gegen Rechtsextremismus 2008?
Die Ausweitung des neuen Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus auf Westdeutschland war wichtig. Auch wenn damit nicht die notwendige finanzielle Aufstockung einherging und das Geld, das vorher ausschließlich für Ostdeutschland zur Verfügung gestellt wurde, nun für die ganze Bundesrepublik reichen muss, wurde damit auch öffentlich eine Trendumkehr angestoßen, weg von der Wahrnehmung des Rechtsextremismus als Ostproblem.
Auf Sachsen bezogen war die von der Sächsischen Staatsregierung im November 2007 in Riesa organisierte Extremismuskonferenz bedeutend. Ministerpräsident Milbradt hat dort vor rund 1.000 Teilnehmern, darunter zahlreiche sächsische Bürgermeister, sehr deutlich Rechtsextremismus als Problem benannt. Die Biedenkopf’sche Realitätsverdrehung nach dem Motto „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“ ist nun auch von Regierungsseiten endgültig vorbei. Der Handlungsdruck auf Kommunen ist dadurch höher geworden, die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Institutionen, die bisher oftmals auf taube Ohren stieß, wenn es um das Thema Rechtsextremismus ging, dürfte dadurch mancherorts einfacher werden.
2.) Was war für Sie ein Rückschritt in der Arbeit gegen Rechtsextremismus 2007?
Das neue Bundesprogramm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus offenbart mehrere Mängel. Aufgegeben wurde die eher basisdemokratische Orientierung des Civitas-Programms zugunsten eines etatistisch geprägten Ansatzes. Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, die Kommunen in die konkrete Demokratiearbeit vor Ort einzubeziehen, in der Praxis zeigt sich jedoch, dass es immer wieder Problemfälle gibt, Kommunen z. B. nach wie vor die Existenz von Rechtsextremismus leugnen oder nachweislich bewährte Institutionen mit langjähriger Erfahrung übergehen, weil sie unbequem sind. In der Praxis bedeutet dies dann einen Qualitätsverlust in der Arbeit.
Ein zweiter schwerer Webfehler ist die Reduzierung von Mobilen Beratungsteams und Opferberatungen auf eine anlassbezogene kurzzeitige „Krisenintervention“. Notwendige Beziehungsarbeit und langfristige Gemeinwesenarbeit ist damit kaum möglich.
3.) Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf 2008?
Es muss sich flächendeckend das Bewusstsein einstellen, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus nicht über Kurzzeitmaßnahmen möglich ist, sondern eines langfristigen Prozesses der Demokratieförderung bedarf. Dieser ist jedoch nicht umsonst zu haben. Der Freistaat Sachsen hat im Jahr 2004 ein eigenes Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ ins Leben gerufen, das diese Zielsetzung verfolgt. Wichtig wäre, dass andere Bundesländer nachziehen.Weiterhin muss die Vernetzung zivilgesellschaftlicher Initiativen besser werden. Mit der Umstrukturierung der Bundesprogramme sind zahlreiche Projekte in eine Konkurrenzsituation geraten. Eine bessere Vernetzung kann dabei helfen, eigene Zielvorstellungen und Forderungen frühzeitig in die öffentliche Debatte einzubringen und ein Gegeneinander zu vermeiden.
Weitere Antworten:
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"Jedem ist klar, dass ein Verbot der NPD allein nicht reicht" - Endstation Rechts Schwerin >klick
"Wir brauchen vor allem Kontinuität in der Arbeit", Zivilcourage Pirna >klick
"Die Bundesregierung hat keine klare Strategie", Patrick Gensing, npd-blog.info >klick
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"Die Ohnmacht gegen die jugendlichen „Nationalen“ ist gar nicht so groß'' , Philipp Gliesing, ABC-Pößneck >klick
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"Der Opferschutz muss dringend verbessert werden", Mario Peucker vom Europäischen Forum für Migrationsstudien >klick
"Opferberatungsstellen werden auch im Westen gebraucht", Simone Rafael, MUT-Portal >klick
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