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Wenn die Union randaliert


Kurz vor dem 1. Mai prophezeit die Unionsfraktion mal wieder Gewaltexzesse linker Demonstranten und fordert ein härteres Durchgreifen. Hilfreich ist die ritualisierte Verbal-Randale nicht - nur gefährlich. Ein Kommentar.

Die Unionsfraktion sieht es genau vor sich: Mit Eisenstangen bewaffnet stürmen linke Radikale am 1. Mai durch die Republik, um alles niederzumachen, was sich ihrem Blutrausch in den Weg stellt. Vor allem Polizisten. Doch die Anarchisten haben nicht mit CDU-Politikern wie Wolfgang Bosbach oder Günter Krings gerechnet und deren Aktionspaket gegen gewaltbereite Chaoten. Mit einer Strafverschärfung bei Angriffen auf Polizeibeamte und einem "härteren Durchgreifen gegen Randalierer" will Innenpolitiker Bosbach gegen "rechtsfreie Räume" vorgehen und quasi in letzter Minute den Frieden im Land retten.

Denn sein Kollege, Unions-Bundestagsfraktionsvize Günter Krings, hat analysiert, dass "die jahrelange Strategie der Deeskalation ein Fehlschlag" war, der die "Randalierer ermutigte". Man müsse sich ja nur die Zahl der im vergangenen Jahr bei den Mai-Demos in Berlin verletzten Beamten ansehen: 479.

Platte Verbal-Randale

Fast könnte man über soviel platte Verbal-Randale lachen. Denn Bosbachs Behauptung, dass es wegen der Deeskalationsstrategie zu "rechtsfreien Räumen" gekommen sei, in denen "es zu Sachbeschädigungen und Körperverletzungen kommt", ist absolut realitätsfremd. Schließlich sind die Bilder knallhart reagierender und oft genug auch überreagierender Polizisten fester Bestandteil jeder Demo-Bilanz und der Beleg dafür, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei durchaus enge Grenzen hat.

Wirklich perfide ist, dass die Unionspolitiker sich nicht scheuen, die zweifellos gestiegene Gewalt gegen Polizisten als Argumentation zu missbrauchen, um mal wieder gegen die linke Szene mobil zu machen. Erst recht, wenn seitens einiger konservativer Politiker laut darüber nachgedacht wird, ob angesichts der zunehmenden Aggression nicht vielleicht die eine oder andere oder vielleicht sogar grundsätzlich und rein vorsorglich alle linken 1. Mai -Aktionen verboten werden sollten. Wohl wissend, dass die überwiegende Zahl der linken Demonstranten durchaus friedlich ist.

"Bedenkliches Zeichen für den Rechtsstaat"

Gut, dass der Chef der Polizeigewerkschaft (GdP), Konrad Freiberg, sich auf soviel desaströses Demokratieverständnis nicht einlässt. Es höre sich natürlich einfach an, zu sagen, weil die Polizei nicht in der Lage sei, für die notwendige Sicherheit zu sorgen, könnten Demonstrationen einfach nicht stattfinden, meint Freiberg und erklärt: "Das wäre aber ein wirklich sehr bedenkliches Zeichen für unseren Rechtsstaat."

Gut, dass auch Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch klare Worte der Gegenwehr findet und die verbale Unionsrandale einfach als "dummes Zeug" bezeichnet. Denn von der Debatte gegen Links profitieren einzig und allein die Rechten. Sie sind schließlich die alljährlichen Auslöser für die Eskalationen der Gewalt. Ihre provozierenden Demonstrationen gegen das politische Selbstverständnis eines Großteils der Bevölkerung sind der Funke, der zündelt. Und Freiberg hat vollkommen Recht, wenn er sagt: "Die Rechten spielen schon damit, die wissen das ganz genau. Die wollen doch den polizeilichen Notstand herbeiführen. Die wollen, dass Krawalle stattfinden. Die wollen Gewalt und die Linken kommen dem natürlich meist gerne nach."

Gegen Nazis mitmarschieren

Wenn die Union wirklich etwas gegen die Eskalation der Gewalt zum 1. Mai unternehmen will, dann muss sie nicht das Strafrecht verschärfen, sondern die Polizei zahlenmäßig aufrüsten und die Beamten auch besser ausstatten, statt beides immer weiter abzubauen. Und sie muss gerade auch den linken Skeptikern zeigen, dass sie es ernst meint mit ihrem Kampf gegen Rechts. Bei den 1. Mai-Demos gegen Nazis mitzumarschieren, wäre da schon mal ein Anfang.

Von Manuela Pfohl
Übernahme des Artikels mit freundlicher Genehmigung von stern.de
Foto: Gegendemo am 1. Mai 2009 in Berlin-Köpenick von wstuppert via
flickr, cc

1. Mai 2010 - bundesweit Neonazidemos