Sie sind hier

In der Mitte der Gesellschaft!


Allein der Rechtsextremismus stellt nicht das volle Problem dar, mit dem wir zu tun haben. Vielmehr ist es eine labile demokratische Kultur, die bei einer Vielzahl von Menschen in unserem Land nicht fest verankert ist. Genau da muss viel stärker angesetzt werden. 


Von Sebastian Klauder, www.abc-poessneck.de

Wir finden uns nach mehr als sechzig Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Land wieder, in dem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft nicht nur angekommen, sondern schon fast fest verankert sind.

Neonazis sind heute international vernetzt, produzieren, vertreiben und verteilen Tonträger über mehrere Länder hinweg. Sie horten Sprengstoff, sammeln Waffen und planen Anschläge.

Während Parteien wie die NPD den Kampf auf politischer Ebene führen, sorgen Kameradschaften für den Kampf um die Straße. In Deutschland existiert ein besorgniserregendes Potential an rechtsextremen Einstellungen. Besonders Fremdenfeindlichkeit ist weit verbreitet und bietet Rechtsextremisten einen Anknüpfungspunkt für ihre Propaganda. Doch auch Kirchen- und Gewerkschaftsmitglieder, Anhänger demokratischer Parteien und somit Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zeigen eine in der Öffentlichkeit als antisemitisch oder rechtsextrem eingeschätzte Einstellung.

Das antisemitische sowie ausländer- und demokratiefeindliche Gesinnung sämtliche Schichten und Altersstufen der deutschen Bevölkerung durchziehen, zeigt eine 2006 erschienene Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Studie zeigte ebenfalls, dass die Bundesrepublik mit dem Erstarken des Rechtsextremismus nicht allein ist. Auch bei unseren Nachbarstaaten Polen, Frankreich, Österreich oder Belgien können nicht nur die rechtsextremen Parteien Wahlerfolge verbuchen, auch die Straftaten und der Organisationsgrad der rechtsextremen Szene nehmen kontinuierlich zu. Der Rechtsextremismus ist ein europäisches Phänomen.

Thüringen - die braune Mitte Deutschlands

Die Thüringer Neonazi-Szene gehört dabei zu einer der aktivsten im gesamten Bundesgebiet. Thüringen ist die Braune Mitte Deutschlands. Toralf Staud beschreibt es in seinem Buch „Moderne Nazis“ als immer schneller zunehmende und mittlerweile fast flächendeckende „Faschisierung der ostdeutschen Provinz“. Allein die Lage Thüringens ist für die rechte Szene attraktiv, aber auch die bereits bestehenden rechten Strukturen vor Ort. Die gute Vernetzung liegt dem zugrunde, dass führende JN- und NPD Kader eben auch Anführer lokaler Kameradschaften und/oder überregionaler Netzwerke sind. Hier muss der „Thüringer Heimatschutz (THS)“ und das „Nationale und Soziale Aktionsbündnis Westthüringen (NSAW)“ genannt werden.


Am 10. Oktober 2007 hat die NPD die Namen und Adressen von elf Personen veröffentlicht, die angeblich bei einem Überfall auf eine Nazi-Kneipe in Erfurt am 23. Juni 2007 beteiligt gewesen sein sollen. Offen ist, woher die NPD die Namen und Adressen hat. In vergangener Zeit wurde öfters vermutet, dass sich rechte Anwälte Ermittlungsakten beschaffen und aus diesen personenbezogene Daten an die Nazi-Szene weiterleiten.

Polizeiakten in Nazihand

Auf Indymedia.org wurde von zwei angeblichen Fällen aus Thüringen berichtet, in denen Nazis offensichtlich über Informationen aus Polizeiakten verfügten. Dem Bericht zufolge gibt es bei der Polizei inzwischen zahlreiche rechtsextreme Beamte. Auch in Sachsen wird vermutet, dass Nazis Zugang zu Polizeiakten haben könnten.Bei einer Razzia gegen eine Nazi-Gruppe fand die Polizei Listen von politischen Gegnern - inklusive Polizeifotos.

Gemäß der Anti-Antifa Direktive, eine Organisation die Daten politischer Gegner sammelt und veröffentlicht, geht die NPD auch in Mecklenburg-Vorpommern vor. Öffentlich dazu aufzurufen, Fotos angeblicher Straftäter an die Partei zu übermitteln, zeigt die Strategie der Einschüchterung, wie sie von allen Neonazi Gruppierungen in unserem Land appliziert wird. Solche Verfahrensweisen zeigen auch, dass sich die NPD durch den Einfluss der jungen Nazis zunehmend radikalisiert.


Arbeitslosigkeit allein fördert keine rechte Einstellung, vielmehr tut dies die Erziehung im Elternhaus und Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung.
Wie in vielen Problemfeldern gibt es auch hier kein Patentrezept, diesem gefährlichen Verlauf wirksam entgegenzutreten. Jedoch gibt es Möglichkeiten der Intervention. Um Alltagsrassismus zu begegnen und zu verhindern, ist das Engagement und die Einsatzbereitschaft jedes einzelnen Bürgers gefragt.

Eine zu enge Sicht auf das Grundproblem

Allein der Rechtsextremismus stellt nicht das volle Problem dar, vielmehr ist es eine labile demokratische Kultur, die bei einer Vielzahl von Menschen in unserem Land nicht fest verankert ist. Und eben dieses Defizit greifen rechtsextreme Organisationen auf und machen es sich zu nutze. Um die Stärkung der Demokratie wieder zu intensivieren ist es vordergründig notwendig, Debatten über den Erhalt der Demokratie und auch über die Globalisierung zu führen. Auch hier müssen wir unterschiedliche Meinungen akzeptieren und uns als Demokraten bewusst werden, dass es auf komplexe Fragen dieser Art meist keine einfach Antworten gibt.


Rechtsextremisten, allen voran die NPD, schaffen es mittlerweile Gesellschaftsmodelle der Moderne zu entwickeln, die eben diese einfachen Antworten geben und zu allem Übel jegliches kritisches Hinterfragen und Nachdenken überflüssig machen.


Unsere Bürgergesellschaft zu stärken, muss also im Vordergrund stehen. Denn dort finden die Diskussionen statt und dort wird Kritik geübt. Und auch dort finden Lösungsansätze statt, an denen die Bürgergesellschaft direkt mit eingebunden und beteiligt werden muss, denn für Menschen vor Ort spielt es eine große Rolle, dass Probleme merkbar ernst genommen werden. Auch Lokalpolitiker dürfen sich nicht der Verantwortung entziehen, auf Probleme der Bürger einzugehen. Denn sobald diese ignoriert werden, wird das Feld den Rechtsextremisten überlassen, die nur darauf warten, diese Themen zu besetzen und sich als Helfer des kleinen Mannes zu präsentieren.

der-fuchs-ist-schlau.-s.jpg

Demo-Schild Der Fuchs ist schlau