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Heinz Fischer heißt der alte und neue Präsident Österreichs. Der Sozialdemokrat konnte am Sonntag einen sicheren Sieg einfahren. Überschattet wurde der Wahlkampf durch die Debatten um die Rechtsaußen-Partei FPÖ und ihre Kandidatin Barbara Rosenkranz.
Wien. Die gute Nachricht zuerst: Knapp 79 Prozent der Österreicher haben am 25. April für den Sozialdemokraten Heinz Fischer im hohen Amte des österreichischen Staatspräsidenten gestimmt. Ein tadelloser Amtsinhaber mit einer tadellosen, wenn auch unbequemen Amtsführung, dem ein tadelloser Wahlsieg gelang. Einerseits.
15, 6 Prozent für ultrarechte Kandidatin
Doch Österreich wäre nicht Österreich, wenn die eine These nicht sogleich durch die entsprechende Antithese relativiert würde. Womit wir bei der schlechten Nachricht wären: Barbara Rosenkranz, ultrarechte Kandidatin der FPÖ, kam auf 15,6 Prozent der Stimmen.
Rosenkranz ist politisch hoch umstritten, selbst in der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) gehört sie zum äußerst rechten Rand. Die zehnfache Mutter, deren Kinder altgermanische Namen tragen und deren Deutscher Schäferhund auf den klangvollen Namen „Greif“ hört, steht – egal ob in Familien- oder Gesellschaftsfragen - für stramm rechte Positionen. Experten vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) sehen Rosenkranz "sehr deutlich in einem rechtsextremen Umfeld" positioniert.
Verschwurbelte Verharmlosung des Holocausts
35 Prozent hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seiner Kandidatin vorausgesagt. Dass es letztlich weniger als die Hälfte wurden – immerhin ein kleiner Sieg der Vernunft über das rechte Aufwieglertum und seine demokratiefeindlichen Inhalte. Was bleibt ist eine Bilanz, die dennoch für sich spricht: Lediglich 49 Prozent der Österreicher beteiligten sich an der Wahl. Und auch, wenn die Freiheitlichen, wie die anderen Parteien auch, diesmal Probleme hatten, ihre rechte Klientel gänzlich zu mobilisieren, so unterstützt doch jeder sechste Österreicher eine Kandidatin für das höchste Staatsamt, die aus einem Umfeld kommt, in dem Holocaustleugnung und die verschwurbelte Verharmlosung des Nationalsozialismus zum Alltagssport gehören.
Angriffe auf das NS-Verbotsgesetz
Es gehört beinahe schon zur politischen Tagesordnung im Alpenstaat: Wo sie nur können üben sich die Freiheitlichen im rechten Tabubruch. Seit Jahren wettern Rosenkranz und andere Partreimitglieder gegen das NS-Verbotsgesetz, mit dem die Leugnung und Verharmlosung der NS-Verbrechen unter Strafe gestellt werden. Es sei, so die fadenscheinige Begründung, ein Angriff auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit.
Gerne streift sich die FPÖ wie in dieser Frage das Deckmäntelchen der Liberalität um, wenn es darum geht, ihre rechtslastigen Positionen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. In anderen Bereichen – etwa in Minderheiten- oder Menschenrechtsfragen – setzt die Partei dagegen auf harte Law-and-Order-Politik, auf Ausgrenzung und Diffamierung.
Codes, die bis ins neonazistische Milieu verstanden werden
Und sie setzt auf Codes, die bis hinein ins neonazistische Milieu verstanden werden. So fiel Rosenkranz in einem Interview auf die Frage nach der Existenz von Gaskammern im Dritten Reich lediglich die gestelzte Formulierung ein, sie habe das Wissen eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in österreichische Schulen gegangen ist. Daran habe sie keine Änderungen vorzunehmen. Die Tatsache, dass das Thema Holocaust und die Frage der österreichischen Mitschuld an den Nazi-Verbrechen in dieser Zeit in den alpenländischen Klassenzimmern so gut wie keine Erwähnung fanden, spricht für sich - und belegt, wo die Kandidatin ideologisch beheimatet ist.
Rechter Ungeist
Und so begann im Wahlkampf eine breite Diskussion darüber, welche Meinung die Kandidatin zur NS-Zeit vertritt. Selbst die Kronen-Zeitung, Österreichs mächtiges Massenblatt, dessen Herausgeber, der greise Hans Dichand, die ach so tugenhafte Lichtgestalt eben noch mit einer warmen Wahlempfehlung bedacht hatte, forderte – nicht zuletzt aufgrund redaktionsinternen Druckes - eine Klarstellung von Rosenkranz. Die folgte denn auch prompt: Öffentlich verlas die Kandidatin eine eidesstattliche Erklärung, verurteilte die Nazi-Verbrechen und stellte sich nun plötzlich ausdrücklich hinter das Verbotsgesetz, das sie zuvor so vehement abgelehnt hatte.
Mit den salbungsvollen Worten, die die Ultrarechte von sich gab, ist die Thematik jedoch keinesfalls vom Tisch. Denn nicht die einzelne irrlichternde Provokation ist das Problem, sondern der im Alpenland gern als „drittes Lager“ verharmloste rechte Ungeist in seiner ganzen Ausprägung. Fest steht: Die FPÖ ist eine Partei, die immer wieder die Grenzlinie zum geistigen Rechtsextremismus durchbricht. Immer wieder sind ihre Protagonisten gezwungen, Erklärungen über ihr Verhältnis zur NS-Zeit abzugeben.
Wahlempfehlung für umstrittenen Burschenschaftler
Auch der amtierende Dritte Nationalratspräsident, Martin Graf, sah sich nach der Nationalratswahl 2008 gezwungen, eine entsprechende offizielle Erklärung abzugeben. Der Grund: Graf ist Mitglied der Wiener Burschenschaft Olympia, die dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als Hort des Rechtsextremismus gilt. Trotz seiner ideologisch höchst fragwürdigen Ausrichtung wurde Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt – die ÖVP sprach gar eine Empfehlung für den Freiheitlichen aus. Was in anderen Ländern undenkbar scheint – in Österreich ist es politische Realität.
Strache nennt Ausländer „Motten“
Seit Jahren perforiert die FPÖ die Demokratie wo sie nur kann, testet aus, was geht. Im Sommer 2009 stellte Martin Graf in einem Interview mit der Zeitung „Die Presse“ gar den antifaschistischen Grundkonsens in Frage. Den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde hatte er zuvor als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus" verunglimpft. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache setzt auf fortgesetzte rechte Provokationen: Ausländer bezeichnete er schon mal als „Motten“. Ein Ausdruck, der an die menschenverachtende Diktion der Nazis erinnert.
Umgarnen der Schmuddelkinder
Jede noch so unsägliche Entgleisung der Freiheitlichen scheint inzwischen möglich. Sanktionen, Konsequenzen – sie sucht man im Alpenstaat vergeblich. Das hat Gründe: Mit Ausnahme der Grünen lassen die österreichischen Parteien in der Regel klare Worte der Distanzierung vermissen. Man kungelt mit den Hetzern, man redet sie sich schön. Dass ÖVP-Chef Josef Pröll bei der Wahl der Nationalratspräsidenten eine Empfehlung für den ideologisch belasteten Burschenschaftler Graf aussprach, es bei der Präsidentschaftswahl im Falle des Sozialdemokraten Heinz Fischer aber unterließ, ist ein Beweis für die Verlotterung der alpenländischen Politik. Nur, bitt schön, keine Unterstützung für die verhassten Roten, da umgarnt man lieber die Ideologen aus der hinterletzten Schmuddelecke.
Versagen der politischen Elite
Es ist eben dieses blinde, Parteipolitik über Verantwortung und Vernunft stellende Lavieren, das die Rechtsausleger und ihre Demokratie zersetzende Gesinnung stark macht. Hierin liegt der eigentliche Nukleus des Problems österreichischer Innenpolitik. Hierin manifestiert sich das Versagen der politischen Elite, allen voran der ÖVP, die aus ihrem folgenschweren 2000er-Coup und der damals geschmiedeten Koalition mit der damaligen Haider-Partei noch immer nicht die richtigen Lehren gezogen hat. Verantwortliches Handeln für eine offene, werteorientierte Gesellschaft in einem modernen Europa jedenfalls sieht anders aus.
Von Marion Kraske
Foto: Barbara Rosenkranz beim Wahlkampfauftritt 2008, von Christian Jansky via wikipedia, cc
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Marion Kraske war bis 2009 Korrespondentin des SPIEGEL in Wien. Heute arbeitet die studierte Politologin als freie Korrespondentin und Buchautorin. In ihrem im Herbst erschienenen Buch „Ach Austria. Verrücktes Alpenland“ beschreibt sie, warum die Ideologie der FPÖ eine Gefahr für die österreichische Demokratie darstellt.