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In der MUT-Debatte um die Zukunft der Bundesprogramme gegen Rechts stellen wir heute einen Beitrag zu den Plänen der Bundesregierung von Franziska Drohsel vor. Drohsel ist seit November 2007 Bundesvorsitzende der Jusos.
Dies ist ein Beitrag zur Diskussionsserie über die Zukunft der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus, zu der bereits der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening, Dierk Borstel vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, Manuela Schwesig, Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern und der Musiker Tibor Sturm beigetragen haben. Weitere Kommentare erscheinen in den kommenden Tagen.
Besonders enttäuschend ist das Kapitel zur „Bekämpfung des politischen Extremismus“ des schwarz-gelben Koalitionsvertrages. Der Kampf gegen Rechts wird weder Schwerpunkt noch originäres Betätigungsfeld von Union und FDP sein. Durch die Ausweitung des Fonds für Opfer rechter Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz auch auf „Linksextremismus“ werden bisher bereitgestellte Mittel faktisch gekürzt. Dadurch wird das Problem des Neonazismus verharmlost, laufende zivilgesellschaftliche Projekte vor ihr Aus gestellt. Die Bundesstiftung für Demokratie wird wohl nicht gegründet. Diese Entscheidung kann nur kritisiert werden. Denn sie wird faktisch zu einer Kürzung der Mittel gegen Rechts führen.
Kritikwürdig ist die Vorstellung, dass die militante Form des „Rechtsextremismus“ mit dem Rest der Gesellschaft nichts zu tun habe. Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus kommen in allen Gesellschaftsschichten vor und reichen bis in die Mitte hinein. „Rechtsextremismus" stellt die radikale Entsprechung von Ungleichheitsideologien dar, die sich in der Mitte unserer Gesellschaft finden.
Grundsätzlich ist die dahinter stehende Extremismuskonstruktion problematisch. Das, was als allenthalben mit dem Begriff „Linksextremismus“ bezeichnet wird, ist nicht gleichzusetzen mit dem Phänomen des Rechtsextremismus. Von daher könnte man die Begriffe des Extremismus auch endlich mal verwerfen und präzisere Begriffe wie z.B. Neonazismus verwenden. Der Begriff "Rechtsextremismus" ist für uns als Jusos problematisch, da er suggeriert, es gebe eine "demokratische" Mitte und links und rechts davon "extreme" Ränder, die es zu bekämpfen gilt. Wir denken nicht in Extremen. Wir unterteilen in progressiv und reaktionär. Militante Nazis sind das reaktionärste, was unsere Gesellschaft hervorbringen kann und können nur unseren vollsten Widerstand erfahren.
Statt sich mit überkommenen Extremismusversatzstücken ins Nichtstun zu flüchten, wäre es angezeigt, eine genaue Analyse vorzunehmen, bestehende Projekte zu evaluieren, bewährte Instrumente zu verstetigen und neue zu entwickeln. Beispielsweise muss erörtert werden, wie auf die Zunahme von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit reagiert werden kann, nach der „nutzlose“ Menschen konstruiert und diskriminiert werden.
Notwendig ist die konsequente Unterstützung antifaschistischer Gruppen vor Ort durch Räumlichkeiten, Ressourcen und verlässliche Ansprechpartner von Seiten der Gemeinden und Stadtverwaltungen. Ebenso muss es ein Ende der Diffamierungen antifaschistischer Projekte und linksalternativer Strukturen, die nur das Ziel haben, Repression zu legitimieren und unliebsamen kritischen Projekten die Existenzgrundlage zu entziehen. In der Praxis haben sich seit der Einführung der Programme durch Rot-Grün viele Ansätze und z. B. gerade die Arbeit der Mobilen Beratungsteams bewährt.
Franziska Drohsel
Foto: Jusos.de (Creative Commons)