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Hilft eine Bundesstiftung weiter?

Insbesondere aus der SPD wird immer wieder der Ruf nach einer Bundesstiftung gegen Rechtsextremismus laut. Auch im Wahlprogramm der Partei. Doch könnte es damit überhaupt gelingen, die Mängel der bislang nur temporären Bundes-Förderprogramme gegen Rechtsextremismus wirklich auszugleichen? Ein Kommentar von Anetta Kahane.

Liebe MUT-Leserinnen und Leser,


es passiert mir relativ oft, dass mich Leute schräg anschauen, wenn von Antisemitismus die Rede ist. Sage ich auch noch etwas zu dem Thema, egal was, dann empfange ich verbal oder nonverbal die Botschaft: "Sie sind da ja nicht neutral". Abgesehen davon, wie erstaunlich eine solche Äußerung ausgerechnet von einem nicht-jüdischen Deutschen ist, dessen Neutralität in dieser Frage ungefähr genauso lange zurückliegt wie meine, irritiert mich noch etwas anderes. Man kann von etwas betroffen sein und trotzdem einen sachlichen Beitrag leisten oder eine fachliche Meinung vertreten. Etwas Ähnliches passiert, wenn es um das Ansinnen der SPD geht, für den Kampf gegen Rechtsextremismus extra eine Bundesstiftung zu gründen. Äußert sich dazu jemand von der Amadeu Antonio Stiftung kritisch, heißt es ebenfalls, wir wären da nicht neutral. Die Tatsache, dass sowohl im Regierungsprogramm der SPD als auch in unserem Namen das Wort Stiftung auftaucht, macht noch lange keine Ähnlichkeit aus. Im Gegenteil, sie verwirrt eher.

Die Amadeu Antonio Stiftung, die auch Trägerin der MUT-Redaktion ist,  ist und bleibt eine kleine, zivilgesellschaftliche Stiftung bürgerlichen Rechts mit klaren Regeln und überschaubaren, fachlich orientierten Gremien. Ihre Arbeit und die Förderpraxis werden für die Öffentlichkeit dokumentiert. Die Funktion der Stiftung ist es, anzuregen, zusammenzubringen, zu inspirieren und auch zu fördern. Ihre Partner, Unterstützer und Spender, also Sie - ganz gleich, in welcher Weise Sie sich beteiligen - haben in gewisser Weise Anteile an der Stiftung. Wir zusammen sind eine Gemeinschaftsaktion, die unser Thema in die Gesellschaft und in die Politik hinein spiegelt. Wir sind nicht neutral, was Rechtsextremismus und Rassismus betrifft, aber wir sind politisch unabhängig, stehen keiner Partei nahe oder einer der anderen mächtigen Institutionen in Deutschland wie den Kirchen, den Gewerkschaften oder den Wohlfahrtsverbänden.

Die geplante Bundesstiftung würde ebenso wie andere staatliche Einrichtungen ihren Vorschriften und teilweise absurden Reglements unterliegen. Sie würde viel Geld verwalten und täte dies durch Gremien, die sich öffentlicher Kontrolle und Einfluss weitgehend entziehen. Alle politischen Parteien werden vertreten sein, jede einzelne der mächtigen Organisationen und vielleicht auch eine oder zwei kleinere. Jeder wird einen Vertreter in die Sitzungen schicken, um als Lobby diejenigen Vorhaben zu unterstützen, auf die die eigene Klientel Wert legt. Das Ergebnis wird mal gut und mal schlecht sein. Aber es wird vieles bestimmt nicht sein: anregend, strategisch und die Zivilgesellschaft aktivierend. Es wird eine gigantische Fördermaschine, die aber weniger transparent arbeiten wird als ein ganz normales Bundesprogramm. Und sie wird keine Spenden einwerben und Aktionen dafür anregen und durchführen. Sie wird nicht inspirieren, etwas dazu zu tun, im übertragenen und im wörtlichen Sinn. Weder von den Kommunen noch von den Bürgern.

Unsere Projektpartner bekommen die nötige strukturelle Förderung ihrer Arbeit von Bund, Land, Kommune. Das ist schwierig genug, und ob eine Bundesstiftung an eben diesen Schwierigkeiten etwas ändern wird, weiß man nicht. Was man sicher weiß: sie wird sich der parlamentarischen Kontrolle entziehen, der Weg zwischen Projekten und der Stiftung wird eher beschwerlicher als leichter, und Länder und Kommunen können nur noch sehr indirekt mitentscheiden. Den Staat in seiner Struktur durch eine weitere staatliche Struktur austricksen zu wollen, ist absurd. Das ist fast so bizarr wie die Vorstellung - ebenfalls dem SPD Programm entnommen - dass man durch ein Verbot der NPD dem Rechtsextremismus in irgendeiner Weise beikommen könnte. Dass die Ex-PDS an ihrem antifaschistischen Etatismus festhält, überrascht nicht so furchtbar, weil die Gesinnung von einst, nämlich per Deklaration Antifaschismus zu haben, in der DDR schon unheimlich geholfen hat. Und zwar so sehr, dass der mit der Wurzel ausgerottete Faschismus schon zu DDR-Zeiten glatzköpfige Blüten trug. Also waren sie doch nicht "ausgerottet", die Wurzeln, und die SPD sollte das inzwischen verstanden haben. Mit Verbot gehen Einstellungen nicht weg.

Nun, wollen wir nicht ungerecht sein. Die anderen Parteien sagen auch nicht viel zu diesem Thema. Die Grünen setzen auf Zivilgesellschaft - das ist gut, aber zu eng gedacht. Die FDP redet kaum über unser Problem, nur etwas indirekt im Zusammenhang mit Bildung, und die CDU hat offenbar gar kein Problem mit Rechtsextremismus. Jedenfalls findet sie es nicht erwähnenswert. Und das Fazit? Die Bürgergesellschaft muss einfordern, was vernünftig ist und wirklich etwas nutzt. Gute, ja bessere Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus ohne zu viel Bürokratie, ohne unerfüllbare Bedingungen und zum Teil demütigende Gängeleien. Klar strukturiert sollten sie sein, umfangreicher als jetzt und transparent. Ihr Ziel sollte es sein, durch Aktivierung der Bürger die Nazis zu verscheuchen. In einem Ort nach dem anderen - bis sie keine Lust mehr haben. Dafür brauchen wir staatliche Unterstützung UND eine unabhängige Zivilgesellschaft, die Verwaltung und Politik auf die Finger schauen kann. Und die immer wieder - auch durch eine kleine Stiftung wie unsere - Ideen anregt und Themen debattiert, ohne auf das Votum mächtiger Institutionen Rücksicht nehmen zu müssen. Sie sehen also: Betroffenheit macht einen nicht allein dadurch blöd, dass man näher an etwas dran ist. Man muss auch noch das Ziel aus den Augen verlieren und nur so tun, als hätte man Interesse daran, dem braunen Alltag Herr zu werden. Verbieten. Gründen. Und alles so lassen, wie es ist?

Mischen wir uns ein. Fragen wir unsere Kandidaten! Gelegenheit dafür gibt es dieses Jahr genug.

Der Originaltext von Anetta Kahane ist dem Mai-Newsletter der Amadeu Antonio Stiftung entnommen.
Mehr zur Forderung nach einer Bundesstiftung: Frank Steinmeier im MUT-Interview

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Kulick /

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anetta