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Das kalte Herz

Man sagt zwei Herzen schlagen in der deutschen Brust: das eine heiß, das andere kalt. Welchem davon sollen wir vertrauen?

Von Anetta Kahane, den vollständigen Artikel finden Sie in der Berliner Zeitung

Man sagt zwei Herzen schlagen in der deutschen Brust: das eine heiß, das andere kalt. Welchem davon sollen wir vertrauen? Im vergangenen Jahr wurde Joachim Gauck, Bürgerrechtler, Pfarrer und erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen von den Deutschen zum Präsidenten der Herzen ernannt. Nun meldet er sich zu Wort und spricht von einer deutschen Sehnsucht. Er fordert mehr Volksentscheide, mehr direkte Demokratie: klarer, einfacher, weniger Kauderwelsch, mehr auf den Punkt, auf die wahren Probleme der Menschen hin. Er spricht mit heißem Herzen, dafür wird er verehrt.

"...das müssen wir erst prüfen"

Kalt dagegen schlägt das Herz der Verwaltung, von der bereits Max Weber, einer der Begründer der modernen Soziologie behauptete, sie sei die eigentliche Macht im Staate. Ohne die Klärung von Vorschriften, Erlassen und Zuständigkeiten, ohne Mitzeichnungskette und ohne die Spiegelreferate bei Bund, Ländern und Kommunen entscheidet der deutsche Fachbeamte gar nichts, egal wer nach gewonnener Wahl gerade Minister wird. "Moooment mal!", sagt der Beamte zu einer bisweilen mit dem heißen Herzen verfassten Vorlage, "das müssen wir erstmal prüfen." Als die Mütter und Väter des Grundgesetzes das föderale System einführten, machten sie die deutsche Demokratie schwerfällig. Heute ist sie mit ihrer Verwaltung darüber hinaus ein Hort des Lokalzentrismus, der Provinzialität, ja der Kleinstaaterei geworden. Kein Wunder also, dass der Wunsch nach dem Großen wächst.
 

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Anetta Kahane