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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Willkommen im neuen Jahr, auch wenn es mit vielen erschreckenden Meldungen beginnt. Eine Bemerkung vorab: Auch 2016 wird voll sein von guten und schlechten Nachrichten, das ist in bewegten Zeiten immer so. Das Themenfeld der Amadeu Antonio Stiftung bleibt es, Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen und deshalb ist es wichtig, über die schlechten Nachrichten Bescheid zu wissen.
Ein Kommentar von Anetta Kahane
Doch unsere Aufgabe – und das ist ein wichtiger Unterschied – ist es, für kulturelle Veränderungen zu sorgen. Wir wollen mehr Gleichwertigkeit der Menschen, faire Bedingungen dafür und einen demokratischen Rechtsstaat, der im Dienste genau dieser Ziele arbeitet. Kulturelle Veränderung bedeutet für uns also eine Humanisierung der Gesellschaft, wo sie es braucht und sie braucht es an vielen Stellen. Wir werden deshalb auch weiter auf die guten Nachrichten Wert legen, denn ohne sie wüssten wir alle nicht, dass Veränderung möglich ist. In diesem Sinne wünsche ich allen ein gutes Jahr 2016!
Zu Silvester hat es in mehreren Städten massive Übergriffe auf Frauen gegeben. Der Charakter dieser widerwärtigen Ereignisse erinnerte an eine Art Flashmob, denn er wirkte wie verabredet. Hunderte Männer bedrängen, bestehlen, belästigen und missbrauchen Frauen auf einem öffentlichen Platz. So geschah es in Köln, Stuttgart und Hamburg inmitten des Silvestertrubels. Unerwartet wurden Frauen regelrecht umzingelt in die Enge getrieben und missbraucht. Diese Männer kamen zusammen in großen Gruppen, sie waren betrunken und sehr aggressiv. Bei Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest oder den zahlreichen Karnevals und anderen Gelegenheiten geschieht ähnliches. Der Unterschied ist nur, dass die Gruppen der Männer meist nicht so groß sind und die Täter in dem Fall meist weiß. Zu Silvester handelte es sich vermutlich nur um Nicht-Weiße. Das macht die Sache weder besser noch schlechter. Und die Reaktion der Gesellschaft und ihrer Institutionen sollte ebenfalls genau die gleiche sein. Wenn jetzt der Ruf nach Abschiebung Nicht-Weiße Täter kommt, müsste im Fall weißer Täterschaft gefragt werden: wohin? Männer, die Frauen derart bedrängen, müssen vor allem strafrechtlich belangt werden. So will es der Rechtsstaat. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter gerade Asyl beantragen, ist nicht besonders hoch. Doch auch in dem Fall gilt für sie Rechtsstaatlichkeit.
Was mich an der Reaktion auf die Ereignisse zu Silvester so aufregt, ist die Heuchelei bei der Bewertung. Es hat Tage gedauert, bis die Vorfälle es in die Medien schafften. Erst als die angegriffenen Frauen mit Nachdruck Anzeigen erstatteten, wurde reagiert. Und nun, liest man die Berichte, scheint es, als wären die Taten ausschließlich eine Spezialität Nicht-Weißer Männer. Dass es jedes Jahr auch Wieße Frauen in großer Zahl und öffentlich angreifen, gehört nicht zu den großen Empörungsthemen. Zynisch geradezu, wie in Deutschland mit einem Mal gerade von jenen die Frauenrechte hochgehalten werden, die sonst bei dem Thema über den „Genderwahn“ herziehen. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Hier wird zwischen schwarz und weiß in der Bewertung unterschieden und das nennt man Rassismus. Schlimmer noch: mit diesem rassistischen Grundton wird die Asyldebatte vergiftet.
Uns haben einige beunruhigende Anrufe aus Köln erreicht. Schwarze Deutsche aber auch Migranten haben sich gemeldet und von einer hasserfüllten Stimmung gesprochen. Sie berichteten, dass sie bespuckt, beschimpft und mit Steinen beworfen, dass sie aus Läden rausgeworfen und angeschrien werden. Solche Momente sind zum Verzweifeln. Wie kann es sein, dass vollkommen unbescholtene Menschen solche Erfahrungen machen müssen, nur weil sie zur vermeintlichen Tätergruppe gehören. Das ist gerade im Fall sexueller Belästigung besonders unsinnig, sonst müssten Männer – ob schwarz oder weiß – generell unter Tatverdacht stehen, da Sexualdelikte überwiegend von Männern ausgehen. Deutschland bewegt sich, was die Gleichstellung der Frau betrifft, sowohl gesellschaftlich wie rechtlich noch immer im unteren Drittel der reichen Länder. Was wird hier hergezogen über Genderthemen! Wie beschämend ist meist das Niveau der Debatten. Sich jetzt dadurch zu entlasten, dass ein Unterschied zwischen „denen“ und „uns“ gemacht wird, gehört zur gesamten Bigotterie dazu.
Sie sehen also, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Deshalb ist es umso wichtiger dranzubleiben und sich den Optimismus von Hysterikern nicht abschwatzen zu lassen. Wir danken an dieser Stelle ganz besonders unseren Spenderinnen und Spendern, die es uns und den Initiativen ermöglichen zu zeigen, dass es funktioniert und wir die Kultur der Gleichwertigkeit verbessern können!