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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Es ist ernst. Die Mörder aus Thüringen bringen auf den Punkt, was seit vielen Jahren bekannt ist und dennoch geduldet wurde: Deutschland hat ein Problem mit Neonazis.
Gerade in einer Zeit, da viele Europäer die Deutschen wegen der Eurokrise wieder zu fürchten beginnen, weisen die Morde der rechten Terroristen auf den Ursprung aller Ängste vor Deutschland hin. Nur im Lande selbst wird so getan, als wären auch diese Ereignisse um die drei Rechtsextremisten ein weiteres Mal so eine Art Unfall im Rechtsstaat, für den eigentlich keiner so richtig was kann. Eine Schlamperei da, ein misslungener Polizeieinsatz hier, die Dummheit eines Verfassungsschützers dort. Dabei wirken die Diskussionen dieser Tage, in der Politiker um die Wahrheit zu ringen scheinen, seltsam kraftlos. Betroffen ja, erschrocken auch, aber alles irgendwie auf niedrigem energetischem Niveau. Ohne Fantasie, ohne politische Schlagkraft. In der Regel irgendwie anständig, aber dem Anlass dennoch nicht angemessen. Was ist hier los?
Systematisch nachdenken
Die meisten Vorschläge darüber, was man tun könne gegen Rechtsextremismus sind nur mehr vom Gleichen. Wieder ein NPD-Verbot oder auch nicht. Noch eine Datei. Eine zentrale diesmal. Ein Terrorabwehrzentrum, als gäbe es das nicht längst. Und eine Untersuchung, was schief gelaufen ist. Mehr nicht. Über Einwanderer und deren Rolle als Problemträger, als nicht „echte“ Deutsche, sondern Menschen mit Migrationshintergrund oder Türken etc. „mit deutschem Pass“ wird nicht systematisch nachgedacht. Über die Idee der Staatsbürgerschaft des Blutes, die sich beharrlich hält im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft, wird nicht reflektiert. Und die ewige Frage, wer dazugehört und wer nicht, wird nicht beantwortet. Die Nazis sind weiter „unsere Jungs“ und die Opfer noch immer Ausländer.
Ohnmacht des Staates
Gar nicht gesprochen wird über die Projekte gegen Rechtsextremismus. Es raschelte ein wenig als Unterton der Diskussion. Die Extremismusklausel, Kofinanzierungsprobleme, Gängelung der Projekte. Dabei geht das, was hier geschieht, sehr viel tiefer. Da, wo Staat und Politik stark sein sollten – in der Wirtschaft und in der Finanzkrise –, sind sie es nicht. Hier zeigt sich nicht Macht sondern Ohnmacht. Den Projekten gegen Rechtsextremismus gegenüber jedoch wird verwaltet, kontrolliert, evaluiert und nach Gesinnung sortiert. Irgendwohin muss sich scheinbar die Verwaltung richten. In dem Fall verbeißt sie sich an der Zivilgesellschaft im Allgemeinen und den Demokratieprojekten im Speziellen. Da geht das noch, da kann der Staat Ansagen machen, da kann die Politik herumspielen. Das jedoch ist fatal. Zwischen Bund, Land, Kommune, zwischen Zuständigkeiten unter- und miteinander, zwischen Rücksichtnahme auf sensible Bürgermeister und Bürger, die sich noch immer mehr empören, wenn es um den Ruf der Stadt geht als um das Schicksal der Opfer, zwischen all dem müssen die Projekte ihre Arbeit tun. Und sie tun es. Jeden Tag, unendlich geduldig und engagiert, mutig und allen Widrigkeiten zum Trotz. Gäbe es sie nicht, wäre die Lage heute noch viel schlimmer.
Sich seiner hässlichen Seite stellen
Also, was tun? Deutschland muss sich seiner hässlichen Seite stellen! Da reicht nicht ein bisschen hier was und ein bisschen da was. Es braucht eine Bundeskonzeption gegen Rechtsextremismus, es braucht eine Haltung, die Menschen real und sprachlich einbürgert, statt sie auszubürgern. Es braucht eine zivile Gesellschaft, die danach verlangt, das Naziproblem ernst zu nehmen und nicht nach vier Wochen wieder zu vergessen und in den alten Trott zurückzufallen. Rechtsextremismus ist der Feind dieses Landes, das doch so stolz darauf ist, eine gefestigte Demokratie zu sein! Deshalb muss danach auch gehandelt werden. Wir müssen es fordern, wie müssen aufpassen, dass es auch geschieht, und wir müssen uns selbst mehr kümmern!
Denn es war nicht „das Trio“ allein. Es war und es ist die schwache Stelle dieses Landes, in der das gedeihen kann.