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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat am Dienstag den Startknopf für den Relaunch von mut-gegen-rechte-gewalt.de gedrückt. Stern.de nutzte die Gelegenheit und sprach kurz mit Thierse über ein mögliches NPD-Verbot, Michel Friedmanns Interview mit Horst Mahler und über fehelndes Bürgerengagement.
Herr Thierse, zum Start der bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus legte die Amadeu-Antonio-Stiftung am 6.11. eine Studie über die Notwendigkeit von mehr Bildungsarbeit gegen Antisemitismus vor. Demnach nimmt die Judenfeindlichkeit auch in Ostdeutschland zu. Dabei verstand sich die DDR doch als 'antifaschistischer Staat?
Es ist eigentümlich. Es gab in der DDR gewiss viele authentische Antifaschisten. Aber es gab eben auch den verordneten, autoritären Antifaschismus - in den so etwas wie Antisemitismus überhaupt nicht passte. Die DDR-Politik befleißigte sich eines außenpolitischen Antizionismus. Also durfte über Judenfeindschaft im Lande gar nicht diskutiert werden. Die DDR-Ideologiegeschichte ist ein Beispiel dafür, wie autoritärer, von oben verordneter Antifaschismus schief gehen kann.
Inzwischen gewinnt die NPD im Osten immer mehr Anhänger. Ihre Partei, die SPD, setzt sich für ein Verbot der NPD ein. Was spricht für das Verbot?
Dass die NPD kein demokratisches Selbstverständnis und Wertebewusstsein hat, ist kein Geheimnis. Daher muss diese Debatte muss auch über die staatliche Parteienfinanzierung geführt werden. Ich halte es für geradezu pervers, dass der demokratische Staat fast die Hälfte des Etats der NPD aufbringt. 40 Prozent des NPD-Etats kommen aus dem Parteienzuschuss, den der Bundestagspräsident zu vergeben hat. Es ist unanständig - ich nenne es pervers - dass der demokratische Staat die antidemokratischen Aktivitäten der NPD zu einem beträchtlichen Teil finanziert. Diesen Zustand sollte man beenden.
Der erste Verbotsantrag gegen die NPD ist gescheitert. Wie könnte ein zweiter Antrag Erfolg haben?
Eine nochmalige Niederlage vor dem Verfassungsgericht wäre verheerend. Das wäre ein entsetzlicher Sieg der NPD. Deswegen bin ich dafür, die Voraussetzungen eines Antrags genauestens zu prüfen, um sicher zu gehen, dass er Erfolg hat. Was ich höre ist, dass man die V-Leute in der NPD nicht wirklich braucht und die Kenntnisse über die Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei ausreichend sind.
Das Thema Rechtsextremismus ist derzeit dem Familienministerium unter Ursula von der Leyen zugeordnet. Wäre es beim Innenministerium nicht vielleicht doch besser aufgehoben?
Das ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Es wäre durchaus vernünftig, diese Aufgabe als eine Querschnittsaufgabe zu betrachten. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus betrifft sicher auch den Verfassungsschutz, die Polizei und die Justiz. Aber mindestens genauso wichtig sind Fragen der Erziehung, der politischen Bildung und der Öffentlichkeitsarbeit. So dass ich es nicht für entscheidend halte, wo das Thema angelagert ist - nur es muss vernünftig zusammengearbeitet werden. Auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Derzeit wird heftig über ein Gespräch gestritten, das Michel Friedmann mit dem Rechtsextremisten Horst Mahler geführt hat, der darin zahlreiche antisemitische Vorurteile verbreitet. Was halten Sie davon?
Wir erfahren in diesem Interview nichts Neues. Wir wissen, was Nazi-Gedankengut ist. Horst Mahler bekommt durch das Interview mit Michel Friedmann in Vanity Fair die Gelegenheit, das Nazi-Gedankengut auszubreiten. Dieses Gespräch ist keine Auseinandersetzung, sondern nur eine Wiederholung dessen, was Nazi-Denken ist. Insofern halte ich das Gespräch mit Mahler auf eine gefährliche Weise für überflüssig. Ich appelliere zwar immer wieder, dass Medien bei den Themen Rechtsextremismus und Antisemitismus mehr Kontinuität beweisen sollen, aber so, wie das hier passiert ist, ist das in seiner Umsetzung ein beunruhigender Vorgang.
Die Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus findet nicht nur in Medien statt. Was kann die Politik tun, um Zivilcourage und lokale Initiativen gegen Rechts zu unterstützen?
Wir benötigen gewiss finanzielle Unterstützung und Programme des Bundes. Wir brauchen aber vor allem die Wachheit, die Sensibilität, das Engagement - von Kommunalpolitikern, von Lehrern, von Gewerkschaftern, von Journalisten vor Ort. Denn der Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus darf nicht nur eine Sache von Profis sein, nicht nur der Politik und nicht nur derer "da oben". Sondern das wird immer vor Ort entschieden. Durch möglichst viele Menschen, die sich beteiligen und namentlich junge Leute unterstützen. Nicht nur finanziell, sondern moralisch - durch Haltung, durch Gespräch, durch Ermunterung, durch Aufmerksamkeit. Das ist eine dauerhafte Aufgabe.
"Zu viele sitzen hinter dem Ofen" - ein MUT-Gespräch mit Schülern und Wolfgang Thierse >klick
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