Nachdem sich Ende September Fans des Fußball-Zweitbundesligisten Hansa Rostock verbale und tätliche Auseinandersetzungen mit St. Pauli-Fans aus Hamburg lieferten, befragte Jörn Menge von "lautgegennazis" den Sicherheitsbeauftragten des DFB, Helmut Spahn über Rezepte gegen Rechtsextremismus im Fußball.
Jörn Menge: Herr Spahn, als Folge der Gewalt gegen St. Pauli-Fans kündigte Hansa Rostock Stadionverbote für einzelne Fans an. Auf rechtsextreme Gesänge seitens der Rostocker Fans und die Defamierungen von FC St. Pauli Fans, wurde aber nicht wirklich eingegangen, obwohl Zeugenaussagen und Audiomitschnitte solcherlei Phrasen belegen. Lediglich die rassistischen Beleidigungen gegen den FC St. Pauli-Spieler Morike Sako wurden zum Thema. Welche Maßnahmen kann der DFB ergreifen, sollten sich rechtsextreme Ausbrüche bei Bundesliga Clubs bestätigen?'
Helmut Spahn: Wir haben hierzu beim DFB eine eindeutige Position. Alle rechtsextremen Ausbrüche werden konsequent verfolgt und mit der gebotenen Härte bestraft. Dies muss aber bei Entscheidungen der Sportgerichtsbarkeit auch beweisbar und zurechenbar sein und kann nicht reflexartig auf jedweden Zuruf erfolgen.
Jörn Menge: Der DFB Präsident Theo Zwanziger hatte vor einiger Zeit angekündigt, dass massive Sanktionen in der Bundesliga möglich sind, sollten Vereine ihr rechtsextremes Problem nicht in den Griff bekommen. Sind hier in Zukunft konkrete massive Sanktionen Ihrerseits angedacht? Die Rede war damals gar von Punktabzug, Stadionverboten von Fans bei Auswärtsspielen, bis zur Disqualifikation aus der Bundesliga.
Helmut Spahn: Je nach Sachlage sind alle oben beschriebenen Maßnahmen grundsätzlich denkbar und wurden ja zum Teil auch schon umgesetzt. Vorrangig setzen wir aber weiterhin auch auf Prävention, die Arbeit der Fanprojekte und die Ingangsetzung eines Selbstreinigungsprozesses in der Fanszene.
Jörn Menge: Was empfinden Sie, wenn mehrere tausend Hansa Rostock Fans in Stadiongesängen FC St. Pauli Fans als „Schwule Hamburger“ beleidigen(Audiomitschnitt: http://www.zshare.net/audio/1960378411bc97b3/ ) , obwohl dies ja eigentlich keine Beleidigung ist, aber deutlich die Homophobie im Fußballstadion wiederspiegelt?
Helmut Spahn: So etwas ärgert mich nachhaltig und auch hier sollten wir alles unternehmen, um dieses Verhalten in Zukunft zu verhindern. Wenig zielführend ist allerdings, und nicht minder ärgerlich, wenn der eine Verein mit dem Finger auf den anderen zeigt, seine Fanszene aber selbst nicht im Griff hat.
Jörn Menge: Der Umgang mit den Ausschreitungen scheint seitens Hansa Rostock eher dürftig. Zumindest kritisiert dies auch der FC St. Pauli und spricht gar von einer Mitschuld seitens des Clubs in Rostock. Wie sehen Sie dies grundsätzlich bei solcherlei Vorkommnissen? Welche Maßnahmen sollten allgemein seitens der Fußballvereine ergriffen werden und wozu sollten sich diese verpflichten?
Helmut Spahn: Ohne in Details zu gehen, hat sich der Verein Hansa Rostock sehr intensiv mit den Auschreitungen auseinandergesetzt. Ich stehe seit Tagen mit Hansa Rostock in Verbindung und werde auch nächste Woche ein weiteres persönliches Gespräch in Frankfurt mit den Sicherheitverantwortlichen führen. Gegenseitige Schuldzuweisungen, aufgrund welcher Motivation auch immer, sind hier wenig zielführend. Es gab im Vorfeld sehr umfangreiche Absprachen beider Vereine, was ich mir im Nachgang solcher Geschehnisse ebenso wünschen würde.
Jörn Menge: Bei einer Veranstaltung im thüringischen Altenburg (dem sogenannten Fest der Völker, einem der größten Nazitreffen Europas), sprachen wir mit einem Polizeibeamten, der uns berichtete, dass er Wochenende für Wochenende auch bei Fußballbegegnungen in der Bundesliga Dienst verrichtet und dabei, er und seine Kollegen, auf immer mehr Rechtsextreme stößt, die auch gewaltbereit sind. Wie schätzen Sie die Lage allgemein in der Bundesliga ein? In welcher Form zeigt sich das rechtsextreme Potenzial vor den Stadien?
Helmut Spahn: Beim Fussball spielt Rechtsextremismus leider ebenso eine Rolle, wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Das konsequente Ansprechen und Verfolgen solcher Geschehnisse und die dementsprechende mediale Aufmerksamkeit lassen hier eine besondere Häufigkeit vermuten, die so aber nicht gegeben ist. Für uns als DFB gilt allerdings, nur wer hinsieht und die Probleme beim Namen nennt wird auf lange Sicht die Chance haben sie auch zu lösen. Wir sollten darüber hinaus auch nicht vergessen, dass das Verdrängen von rechtsextremen Gruppen beim Fussball das Problem nicht löst, sondern nur verschiebt. Rechtsextremismus ist grundsätzlich kein Problem des Fussballs, sondern ein Bereich in dem er besonders öffentlichkeitswirksam in Erscheinung tritt.
Jörn Menge: Es existieren ganz viele tolle Fanprojekte im Fußball, die sich mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigen und versuchen Präventionsmaßnahmen mit den Bundesliga Clubs auszuarbeiten. Welche Projekte unterstützt der DFB aktuell?
Helmut Spahn: Insgesamt werden zur Zeit 41 Fanprojekte, von der Bundesliga bis zur Oberliga, ünterstützt. Gemeinsam mit der DFL werden hierfür weit über eine Million Euro investiert, was ca. 1/3 des finanzilellen Gesamtvolumes ausmacht. Die Fanprojekte verfügen somit über ca. 3,5 Millionen Euro jährlich. Beim DFB findet jede Woche ein Jour Fixe mit der Koordinationstelle der Fanprojekte (KOS) statt, die ebenfalls zu einem Drittel vom DFB finanziert wird. Weiterhin ist bei der Deutschen Sportjugend (DSJ) das Projekt ‘Am Ball bleiben’ angesiedelt, das zu 50% von DFB finanziert wird und sich ausschließlich um Prävention im Bereich Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kümmert.
Mit Dank an www.lautgegennazis.de - www.mut-gegen-rechte-gewalt.de. Foto: Selbsthilfe von Fußballspielern: Zeichnung auf einem Fußballtor, gesehen in Berlin-Mitte (H.Kulick)