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Rassistisch im Abgang


Links und rechts von Mosel, Rhein und Co. gedeihen nicht nur edle Reben – auch rechtsextremes Gedankengut findet in den Weinbauregionen von Rheinland-Pfalz fruchtbaren Boden. Die Verbindungen zu Winzern sind für die NPD lukrativ und haben eine lange Tradition. Eine Reportage.


Von Fabian Jellonnek, zuerst erschienen in Grenzwertig

Erstes Septemberwochenende 2010 – Der NPD-Chef Udo Voigt ist auf Wahlkampftour in Rheinland-Pfalz. Es gilt, Unterstützerstimmen für die Rechtsextremen zu sammeln. Drei Tage lang will der Berliner Bezirksabgeordnete und Parteichef verschiedene Kreisverbände im Land abklappern. Organisatorisch sind derartige Wahlkampfauftritte für Neonazis keine leichte Aufgabe. Kaum ein Saal- oder Hotelbesitzer will der NPD Räume zur Verfügung stellen. Bundesweit für Schlagzeilen sorgte so der Versuch der NPD, Räume anzumieten, in denen man sich als SPD ausgibt oder auch das Hausverbot in einem Wellness-Hotel für NPD-Mann Voigt. Die Partei ist auf Mitglieder, Unterstützer und politisch Wohlgesonnene angewiesen, will sie größere Versammlungen abhalten.

Im Kreisverband Naheland brauchte man nicht lange suchen: Der Winzer Herman Josef Knichel aus Wallhausen lud Voigt und seine nach Parteiangaben 50 Zuhörer zu sich auf sein Weingut ein. Der Weinbauer Knichel ist in der Szene kein Unbekannter: Für die nationale Mini-Partei NFP-NUR (Netzwerk Freie Patrioten) schrieb der Nahe-Winzer Flugblätter und in Leserbriefen an die Lokalzeitung beklagt der Wallhausener „Hassgesänge mit Volksverhetzung gegen Deutsche“ durch Linksextreme.

Knichel ist kein Einzelfall. Folgt man der Hauptstraße gute fünf Kilometer vom Weingut Knichel südöstlich, dann landet man bei der Geschäftsadresse von Ingo Helge. Helge ist Kreisvorsitzender der NPD-Naheland und gilt in gut informierten Kreisen als Drahtzieher der „nationalen Netzwerke“: So nennt die NPD ihre eigenen Wirtschaftskreisläufe – von Mitgliedern für Mitglieder. Neonazis sollen im Interesse von Partei und Kameraden ihr Geld lieber bei Firmen von Gleichgesinnten lassen, anstatt es in die Hände von Demokraten zu geben. In der NPD hofft man, dass ein Teil des Gewinns jener Unternehmer über Spenden in die Parteikasse zurückfließt. Die Netzwerke sollen für beide Seiten lukrativ sein, ein Plan, der offenbar aufgeht: Knichels Weine bekommt man nur per Anruf direkt vom Winzer. Eine Homepage, längst Usus unter Weinbauern, betreibt der Wallhausener nicht. Es scheint, als brauche er sich um Abnehmer seiner Weine keine Sorgen zu machen. Der Partei ihrerseits bereitet, dem Winzer sei Dank, die Raumsuche kein Kopfzerbrechen mehr.

Die NPD Rheinland-Pfalz hat auf ihrer Homepage eine ganze Liste ihrer Wirtschaftskreisläufe veröffentlicht: von nationalen Apothekern über Bestattungsunternehmer bis zum Zahnarzt sind 36 Branchen vertreten. Angegeben ist auch die Anzahl der Neonazi-Betriebe in der jeweiligen Branche – Zahlen, die mit Vorsicht zu genießen sind. Schließlich erfährt man nicht, wer und ob sich überhaupt jemand hinter den Angaben verbirgt. Dennoch, keine andere Branche in Rheinland-Pfalz und dem Saarland weist mehr NPD-Sympathisanten auf als die der Weinbauern der Region.

Woher kommt die enge Verbindung zwischen Winzern und rechtsextremen Kreisen? Zum Einen hat diese Verbindung eine gewisse Tradition. In den 60er Jahren wurde der Landesverband vom Winzer Fritz May aus Osthofen geführt. Der ehemalige SS-Sturmbannführer leitete von 1967 bis 1971 die letzte NPD-Landtagsfraktion. Die Weingüter profitierten im 3. Reich – statt Erntehelfer bezahlen zu müssen wurden ihnen Zwangsarbeiter zugeteilt. Andererseits ernten NPD und Co. auch die Früchte ihrer jüngeren Arbeit. Kaum ein anderer Berufsstand wird von den Rechtsextremen derart umgarnt wie die Winzer. Das Logo der NPD Rheinland-Pfalz flankiert seit Kurzem eine Rebe, die Kandidaten posieren auf Wahlplakaten und in Internetvideos ungelenk vor steilen Weinhängen. Per Pressemitteilung wird importierter und ausländischer Wein verschmäht und auf Demos durch Weindörfer verteilen die Neonazis Flyer mit der Überschrift: „Deutscher Wein statt Ami-Fusel! Nur die NPD schützt einheimische Winzer!“. Vor allem als im Jahr 2006 die Weinmarktordnung reformiert wurde, machte die NPD mobil. In diesem Zusammenhang wirkt es unglücklich, dass der Präsident des Weinbauverbandes Mosel-Saar-Ruwer, Adolf Schmitt die Reformen ausgerechnet in der „Jungen Freiheit“ kommentierte.

Fakt ist, dass rechtsextremes Heimatgefasel und geschürte Globalisierungsängste in der rheinland-pfälzischen Provinz offenbar ankommen. Zur letzten Bundestagswahl trat für die NPD im Wahlkreis Bitburg der Jungwinzer Mario Winter (Jahrgang 1982) aus Burgen an. Bei den anstehenden Landtagswahlen tritt der Weinbauer erneut als Direktkandidat an. Winters Ziel laut Homepage: „die Bewahrung der deutschen Heimat an der Mosel und im Hunsrück“. An Mosel, Rhein und Co. gedeihen nicht nur edle Tropfen, hier können die Braunen auch in tief-konservativer Brühe fischen.

Zum Thema edle Tropfen: Um die rankten sich Ende 2009 heftige Diskussion zwischen Hitleristen und Anhängern des populistischen Flügels der Neonazi-Szene. Thorsten Heise, Mitglied im NPD-Bundesvorstand und Inhaber eines Neonazi-Internetversands, machte seinerzeit der braunen Masse ein in doppelter Hinsicht unmoralisches Angebot. Unter dem Etikett „Der Leibstandarte edelster Tropfen“ versuchte der Kader Wein an den Mann zu bringen. Ein Teil des Erlöses sollte in die Pflege eines alten Nazi-Denkmals auf seinem Anwesen fließen. Auf der Neonazi-Plattform Altermedia prahlte der NPD-Vorstand mit Wein aus besten Lagen an der Loreley, direkt bezogen von einem nebulösen nationalen Winzer. Tatsächlich bot er jedoch vollkommen überlagerten halbtrockenen Weißwein aus den 80er Jahren zu Preisen zwischen 20 und 30 Euro an. Eine Nachfrage bei der Stadtverwaltung ergab: Der Winzer, dem die nationale Sache angeblich so wichtig sei, ist seit mehren Jahren tot, die Kinder verzogen, das Weingut aufgegeben und unbewohnt. Ob die Kinder wissen, dass ihr Vater von NPD-Funktionären posthum zum Nationalisten erklärt wurde bleibt ungewiss. Sicher ist allerdings: „Der Leibstandarte edelster Tropfen“ ist in erster Linie teure Kameradenverarsche.

Foto: von lilli2de vin
Flickr, cc
 

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