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Polizei bahnte rechtsextremer "Querfront" Weg durch Neukölln

Alle Jahre wieder mobilisieren die sogenannten Freien Kräfte des Berliner Rechtsextremismus zu einem Marsch durch Berlin Treptow-Köpenick, um ein sogenanntes 'nationales Jugendzentrum' zu fordern. National heißt, ein völkisch-rassistisch geprägtes Jugendzentrum: Nichtdeutschen soll der Zugang verwehrt bleiben.

Zwischen 400 und 600 Teilnehmer zählte der rechtsextreme Aufzug in diesem Jahr, an dem sich auch Kameradschaften aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg beteiligten. Vorweg lief ein brauner schwarzer Block. Der polizeiliche Staatsschutz der Polizei zeigte sich von der Anzahl der Demonstrationsteilnehmer überrascht. Was auffiel: der Teilnehmerkreis war deutlich jünger als in den vergangenen Jahren und wirkte sehr viel draufgängerischer orientiert - und extrem ideologisch verblendet. Auch der neue Vorsitzende der NPD-Jugendorganisation JN und der NPD-Vorsitzende Voigt nahmen an dem Aufzug teil, den viele Anwohner kopfschüttelnd zur Kenntnis nahmen. Voigt begrüßte die Anwesenden der rechtsextremen "Querfront", wie sich das Bündnis aus NPD, JN und parteiunabhängigen Kameradschaften auch nennt, in seiner Abschlussrede als "willkommen in der Reichshauptstadt Berlin".

Primär systemfeindliche Sprüche und verbotener Gesang

Die Polizei nahm im Verlauf des Aufzugs mindestens acht Personen fest, darunter zu Beginn drei aus dem linken Spektrum, fünf aus dem rechten. Mehrheitlich wurden von den Neonazis Parolen skandiert für einen "Nationalen Sozialismus", was in der Naziszene gleichbedeutend mit "Nationalsozialismus" steht. Weitere Parolen richteten sich gegen den Forbestand der "BRD" ("BRD heißt das System, morgen wird es untergehen").

Beendet wurde die Kundgebung mit eigentlich verbotenem Liedgut - ein Zeichen des gewachsenen Selbstbewusstseins der extremen Rechten, die es sichtlich genießt, von dem Staat, den sie abschaffen will, freie Bahn für ihre skandalösen Auftritte zu erhalten. Nachdem der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt auf dem Abschlusskundgebungsplatz am U-Bhf. Britz-Süd seine Rede beendet hatte, forderte der Moderator die Teilnehmer über Lautsprecher dazu auf, das Lied "Ein junges Volk" zu singen. Daraufhin intonierten zahlreiche Aufzugsteilnehmer alle drei Strophen der Hitlerjugend-Hymne "Ein junges Volk steht auf". In einem vorliegenden Videomitschnitt ist deutlich zu hören, dass dieses Lied von einigen Demonstranten auch über die Lautsprecheranlage abgesungen wurde. Laut einer Broschüre über rechtsextreme Symbole und Kennzeichen des sachsen-anhaltinischen Innenministeriums ist dieses Lied eng mit der nationalsozialistischen Ideologie verknüpfte und fällt daher unter den § 86a.

Geänderte Route


Diesmal konnten die Rechtsaußen Dank der Aktivitäten des "Bündnisses für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick" allerdings nicht auf ihrer in den vergangenen vier Jahren genutzten Route durch Treptow marschieren, sondern mussten in den weitläufigen Süden Neuköllns ausweichen. Dort suchten sie sich als Ziel den Stadtteil Britz-Süd – dort steht das Jugendzentrum des linken Jugendverbandes "Falken". Polizisten riegelten das Gebäude hermetisch ab. Im Sommer hatte es dort mehrere Schlägereien zwischen Linken und Rechten gegeben, Nazis hatten das Haus regelrecht belagert. Im Gegenzug jagten Linksextreme im Vorfeld der Demonstration am 1.12. in mehreren U-Bahhöfen vermeintliche Rechtsextreme, so dass die Polizei nach Ende der Kundgebungen versuchte, die U-Bahnhöfe rigoros zu sperren.

Und die Zivilgesellschaft? An sechs Punkten der Strecke lud das örtliche Bündnis für Demokratie zu einem "Fest auf der Straße" unter dem Motto: "Wir sind lauter! Wir sind bunter! Wir sind mehr!". Bis zu 800 Teilnehmer wurden gezählt, es waren aber wesentlich mehr erwartet worden. Prominente Teilnehmer waren neben Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Walter Momper (SPD) und der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi. Beide wiederholten vor zeitweise bis zu 700 Demonstrationsteilnehmern ihre Forderungen nach einem Verbot der NPD. Ein Verbot der NPD sei „eine Bringpflicht der Politik in diesem Land", sagte Momper, "wir sind das wahre Deutschland", Gysi nannte die Partei "verfassungswidrig". Doch am Ende zeigte die Zivilgesellschaft wenig Ausdauer, sich zu widersetzen. Auch Straßenblockaden wurden angesichts der Präsenz von rund 850 Polizisten nicht durchgehalten.

Über die Rolle der Polizei zwischen Rechten und Linken: Ein Interview mit Berlins Polizeijustiziar Oliver Tölle: >klick


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de
2.12.2007/hk Foto:reuters

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Polizei sichert Naziaufmarsch durch Berlin Neukölln