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Engagement statt Hetze

Ein Kommentar von Anetta Kahane

Vielleicht werden Sie mir zustimmen: Es wird Zeit, dass ein neues Jahr beginnt. Das alte stand bereits in der Silvesternacht unter einem schlechten Stern. Aber wir sind nicht abergläubisch und wissen, dass neben all dem Schlechten auch sehr viel Gutes geschehen ist.

Sehr viele Menschen haben sich engagiert gegen Hetze und Gewalt, und sie werden es weiter tun: mit Kampagnen, mit Spenden, mit ehren- und hauptamtlicher Arbeit im Sinne der demokratischen Kultur. Und dafür wollen wir uns an dieser Stelle besonders herzlich bedanken. Es war schon immer wichtig, so zu handeln, und im Jahr 2016 hat sich einmal mehr gezeigt, dass es anstrengend und konfliktreich sein kann. Umso größer ist die Notwendigkeit weiterzumachen. Denn wir brauchen mehr denn je Engagement statt Hetze!

Demokratische Kultur zu schützen war für diejenigen, die Rechtsextremismus bekämpfen, noch nie ein Sonntagsspaziergang. Im Jahr 2016 haben viele weitere gemerkt, dass Engagement sogar gefährlich sein kann. Wer immer es für anständig und selbstverständlich hielt, Menschen in Not – also auch Flüchtlingen – zu helfen, bekam den beißenden Wind der Menschenhasser zu spüren. Vor Ort, in den Sozialen Netzwerken oder in der unmittelbaren Umgebung zeigten nach und nach die Rassisten, Islamfeinde, Antisemiten, Demokratieverachter, wie sie wirklich ticken. Immer aggressiver traten sie hervor aus dem Dunst bislang unterdrückten Hasses und ließen ihren Dämonen freien Lauf.

In dieser Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, nicht auf jede Provokation einzusteigen und dennoch dagegenzuhalten, ist gewiss schwer. Aber es gehört zu den vielen Herausforderungen, denen wir uns im Jahr 2016 stellten.

Das war auch das Interessante am vergehenden Jahr: Wir haben alle sehr viel gelernt! Beginnend damit, dass lautstarke Hetzer trotz ihres Lärms nicht die Mehrheit bilden, obwohl ihr Gebrüll es suggerieren soll. Wir haben auch gelernt, wie schwer es ist, den Druck auszuhalten, den solche Menschen aufbauen. Viele hat das zu Haltung und Klarheit inspiriert. Manche aber sind eingeknickt und glauben, den Ungeist milde zu stimmen, indem man ihm gut zuredet oder gar vor ihm zurückweicht. Das Gegenteil ist richtig. Vielleicht sind viele Menschen vom Gift des Hasses überrascht worden, der so schnell und heftig in die Kommunikation und das Zusammenleben eindrang. Vielleicht waren wir darauf nicht genug vorbereitet. Vielleicht reichten unsere Antworten nicht aus. Aber jetzt wissen wir es besser. Terror und Hass sollen Chaos erzeugen, das die Demokratie zu zerstören zum Ziel hat. Umso wichtiger ist es, sich diesem Strudel zu entziehen und der eigenen Humanität und der Bereitschaft, sie auch im Konflikt zu verteidigen, bei sich selbst zu versichern.

Und wir haben noch weit mehr gelernt. Dass es auch uns allen selbst oft an Debattenkultur fehlt, zum Beispiel. Andere politische Meinungen auszuhalten, auch wenn sie den unseren gänzlich entgegenstehen, ist nicht so einfach, wie es klingt. Zumal dann, wenn mit unfairen Mitteln gekämpft wird wie mit falschen Behauptungen, persönlichen Beschimpfungen oder bösartigen Vereinfachungen. Wer Demokrat sein will, wer die demokratische Kultur beschützen will, muss selbst lernen, eine Diskussion zu führen. Ohne ideologische oder demagogische oder apologetische Worthülsen. Die Regeln der demokratischen Debatte gelten universell. Für Kritiker wie Befürworter eines Standpunktes. Denn nicht jeder, der die eigenen Positionen nicht teilt, will nur Hass ausdrücken oder, andersherum, alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Wir alle müssen da noch ein bisschen üben. Wichtig ist zu verstehen, dass es nicht dasselbe ist, eine Debatte möglich zu machen oder eine Meinung zu vertreten. Beides soll möglich sein. Demokratie ist auch Streit von Ideen und Meinungen. Jeder, der sich darauf einlässt, muss jedoch sicher sein, dafür den Rückhalt zu haben. Deshalb ist Ihre Unterstützung gerade dabei so unendlich wichtig. Engagement statt Hass – debattieren statt hetzen. Dies wollen wir im kommenden Jahr noch stärker entwickeln. Helfen Sie uns dabei.

Also: Lasst uns die Debatte führen! Auf ein starkes Jahr 2017!