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Dem Hass trotzen

Die einen sagen jetzt mit rassistischer Deutlichkeit was sie unter Deutschsein verstehen und meinen einen homogenen „Volkskörper“ ganz ohne Menschen mit anderer Hautfarbe. Denn am Ende geht es genau darum. Und die anderen sagen jetzt auch, was sie meinen, indem sie sich um die Flüchtlinge bemühen. Es ist großartig, dass sie es tun! Dass wir es tun. Trotz der Hetze, trotz der Übergriffe, trotz eines sich verschlechternden politischen Klimas.

Ein Kommentar von Anetta Kahane


Wir leben in interessanten Zeiten und das soll ja, glaubt man dem chinesischen Sprichwort, ein großes Glück sein. Deutschland nimmt derzeit so viele Flüchtlinge auf, wie nie zuvor. Damit sind Menschen gemeint, die keine Deutschen sind und nicht in der Wohlfühlzone dieser Welt, im reichen Mitteleuropa sozialisiert wurden. Fast interessanter noch als diese Tatsache ist die Reaktion der Menschen in Deutschland darauf. Die einen schüren Hetze und Gewalt gegen Flüchtlinge und gleich gegen alle anderen „Fremden“ mit.

Die anderen begreifen, dass Deutschland vor einer kulturellen Zeitenwende ist, nach der nun endlich Deutschsein nicht mehr von deutscher Herkunft abhängt. Und ihre Schlussfolgerung ist, sich zu engagieren, zu helfen, kreativ zu sein und sich nach bestem Menschenverstand für die Flüchtlinge einzusetzen. Die einen gehen auf die Straße und demonstrieren ihre Hässlichkeit aus Furcht, Neid, Missgunst und Rassismus, die anderen gehen in die Unterkünfte der Geflüchteten und ermöglichen erste Schritte in ein neues Leben. Das Land ist gespalten an diesem Punkt. So jedenfalls sehen es viele Menschen und wundern sich, denn auch das hat es in Deutschland lange nicht gegeben. Es gibt keinen Konsens. Die Konflikte liegen offen. Und sie gehen mitten durch die Gesellschaft. Doch ist das wirklich so?

Ein anderes Sprichwort sagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Deutschland hat diesen Konflikt lange aufgeschoben. Vor dem Mauerfall, in der Kohl-Ära wollte die Mehrheit der Bevölkerung nichts davon wissen, dass Deutschland längst ein Land mit Einwanderern, also ein Einwanderungsland geworden war. Das hätte bedeutet, sich mit dem Fakt auseinanderzusetzen, politisch zu gestalten, Rassismus zu benennen. Dazu waren weder Politik noch Gesellschaft bereit. Dann fiel die Mauer. Danach gab es vermeintlich andere Dinge zu tun. Also ignorierte man die Probleme mit anwachsendem Rechtsextremismus, die No-go-Areas, die Normalität des Rassismus, die Gewalt gegen die Flüchtlinge zu Beginn der 1990er Jahre. Man ignorierte die besonderen Bedingungen im Osten, in denen es bis dato keine nennenswerte Einwanderung gab. Man ignorierte die Ignoranz im Westen gegenüber der realen Ausgrenzung von bereits Eingewanderten. Mit anderen Worten: die Konflikte und Probleme waren die ganze Zeit da, nur lagen sie unter dem Tisch und nicht auf ihm. Sie wurden weggeschwiegen, weggedruckst, weggewischt. Nicht einmal der Fall NSU hat ein reinigendes Gewitter gebracht, durch das sich Politik und Gesellschaft gezwungen sahen, aufzuräumen mit der Idee, dass es einen angeborenen Unterschied zwischen Deutschen, ja zwischen Menschen überhaupt gäbe.

Aber irgendwann kommen die Dinge auf den Tisch. Die einen sagen jetzt mit rassistischer Deutlichkeit was sie unter Deutschsein verstehen und meinen einen homogenen „Volkskörper“ ganz ohne Menschen mit anderer Hautfarbe. Denn am Ende geht es genau darum. Und die anderen sagen jetzt auch, was sie meinen, indem sie sich um die Flüchtlinge bemühen. Es ist großartig, dass sie es tun! Dass wir es tun. Trotz der Hetze, trotz der Übergriffe, trotz eines sich verschlechternden politischen Klimas.

Die Leute lassen sich wunderbare Sachen einfallen, sie übernehmen wirklich Verantwortung, sie machen einfach, wo Verwaltung und Politik erst die Mühlen zum langsamen Mahlen instand setzen. Und wo die Dinge gut laufen, arbeiten sie zusammen, um alles zu schaffen. Freiwillig und im besten Sinn ehren-amtlich arbeiten tausende Initiativen daran, dass geflüchtete Menschen unterstützt und einbezogen werden von Anfang an. Dafür brauchen sie aber selbst Unterstützung, wenn diese Hilfe längerfristig funktionieren soll. Das wird Geld sein, um Auslagen zu bezahlen, aber auch Beratung, Austausch oder Gebühren für Internet oder Versicherungen. Die ehrenamtliche Arbeit ist nicht umsonst, das wissen alle, die sich langfristig engagieren. Ganz besonders, wo die Helfer dem Hass ausgesetzt sind oder sogar selbst zum Opfer von Angriffen werden. Das ist leider an der Tagesordnung.

Lassen Sie uns diejenigen unterstützen, die das Wort Herausforderung nicht dafür benutzen, sich herauszureden, sondern wirklich handeln. Wir leben in interessanten Zeiten und aufgeschoben wird nicht. Spenden Sie jetzt für den Willkommensfonds!

Spenden Sie für den Willkommensfonds, damit aus Flüchtlingen Nachbarn werden.
So wird aus Willkommen ein Ankommen!

 

Spendenkonto der Amadeu Antonio Stiftung:
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Hier gibt's das Poster zum Download.

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